Interview
„Wir wollten die Menschen inspirieren, sich mit Industriekultur zu befassen“
Dass das Jahr der Industriekultur 2020 von der Corona-Pandemie überschattet wurde, hätte im Vorfeld wohl keiner ahnen können. Von Hygieneauflagen, ausgefallenen Veranstaltungen und Besucherbeschränkungen können auch die Macher der 4. Sächsischen Landesausstellung „Boom. 500 Jahre Industriekultur in Sachsen“ ein Lied singen. Zunächst musste die Eröffnung der Schau coronabedingt verschoben werden, nun ist die Ausstellung seit November geschlossen. Wie das Team der Boom damit umgeht und ob es trotz allem auch Positives gibt, das in Erinnerung bleiben wird, erzählt Christian Landrock, Pressesprecher der 4. Sächsischen Landesausstellung, im Interview.
Herr Landrock, als Sie erfahren haben, dass der Lockdown auch in den Dezember verlängert wird, wie haben Sie und das Boom-Team sich da gefühlt?
Es hatte sich ja bereits angedeutet, dass die Infektionszahlen weiter steigen, insofern waren wir nicht überrascht. Aber wir sind natürlich alle sehr traurig, denn wir haben gute Arbeit geleistet und ein tragfähiges Hygienekonzept entwickelt.
Die Landesausstellung wird nun aufgrund des Lockdowns nicht mehr öffnen. Denken Sie, dass zum Ende der Laufzeit noch sehr viele Besucher gekommen wären?
Ja, für November und Dezember hatten sich schon knapp 5000 Schülerinnen und Schüler angemeldet. Und auch sonst hatten wir ab Mitte September steigende Besucherzahlen, besonders auch bei den sechs Schauplatzausstellungen. Viele Besucher haben die Landesausstellung weiterempfohlen. Deshalb waren wir sehr optimistisch, was den Herbst betraf.
Wie fällt Ihr Resümee zur Landesausstellung aus?
Trotz der Corona-Pandemie ist das Thema Industriekultur gut angekommen. Wir denken, wir konnten zeigen, wie Industriekultur nicht nur die Vergangenheit geprägt hat, sondern auch in die Gegenwart und Zukunft ausstrahlt. Besonders freut uns, dass die Zentralausstellung im Audi-Bau in Zwickau so eine gute Besucherresonanz erfahren hat: Eine Besucherumfrage ergab, dass 91 Prozent der Gäste zufrieden mit den Inhalten und der Umsetzung der Ausstellung waren. Und das, obwohl das Ausstellungskonzept sehr modern angelegt ist. Auch das begleitende Programm für Schülerinnen und Schüler kam gut an. Das hat gezeigt, dass das Thema in jedem Fall auch in Zukunft von Relevanz ist. Alles in allem würde ich sagen: Wir haben einiges angestoßen. Wir haben nicht nur Wissen zusammengetragen, das nun weiterentwickelt werden kann, wir wollten die Menschen auch inspirieren, sich mit Industriekultur zu befassen.
Und wie zufrieden sind die sechs Schauplatzausstellungen mit dem Jahr 2020?
Überaus zufrieden. Für die Museen, die teilgenommen haben, war das Jahr der Industriekultur eine positive Erfahrung. Sie konnten sich einem breiten Publikum präsentieren. Und während die Zentralausstellung wieder abgebaut wird, arbeiten die Museen der Schauplatzausstellungen natürlich weiter. So freut man sich beispielsweise am Schauplatz Eisenbahn im Sächsischen Eisenbahnmuseum Chemnitz-Hilbersdorf. Denn Ende November hat der Bundestag im Rahmen des Haushalts 2021 beschlossen, das Museum innerhalb von drei Jahren mit 760.000 Euro zu fördern. Die Expertise zur Eisenbahngeschichte, die im Rahmen der Sächsischen Landesausstellung gesammelt wurde, soll künftig in einem Kompetenzzentrum „Eisenbahn“ erweitert und vertieft werden. Eine tolle Geschichte!
Was bleibt Ihnen unabhängig von der Corona-Pandemie positiv in Erinnerung?
Viele ältere Besucher gingen durch die Ausstellung und sagten immer wieder: ‚Ach, das kenn ich doch.’ Und dann haben sie ihren Kindern und Enkeln davon erzählt. So kam ein Dialog zwischen den Generationen in Gang.
Hat es das Jahr der Industriekultur 2020 trotz Corona geschafft, das Bewusstsein der Menschen für unser industriekulturelles Erbe zu schärfen?
Natürlich hätten wir gern noch viel mehr gemacht, zum Beispiel größere Events wie das Internationale Trabitreffen. Da musste leider vieles ausfallen. Trotzdem konnten wir die, die da waren, für das Thema begeistern. Und daran kann man auch in Zukunft anknüpfen, beispielsweise wenn Chemnitz im Jahr 2025 Kulturhauptstadt Europas sein wird. Eine zentrale Rolle spielt dabei wieder die Industriekultur. Und auch Zwickau, das ein sehr guter Gastgeber war, muss sich nicht verstecken. In den letzten 500 Jahren hat sich die Region Zwickau immer wieder neu erfunden – angefangen bei der Besiedlung des Erzgebirges von hier aus, über die Industrialisierung bis zum Automobilbau. Das zeigt: Mit Offenheit und neuen Ideen kann der Wandel immer wieder gelingen.
Herr Landrock, vielen Dank für das Gespräch.
Mehr Informationen zur 4. Sächsische Landesausstellung unter: www.boom-sachsen.de