Leipzig
Von Leipziger Erfolgsgeschichten, Weltmarktführern und Gescheiterten
Wer den Ausstellungsraum im Haus Böttchergäßchen des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig betritt, hat das Gefühl, in einer Fabrikhalle des 19. Jahrhunderts gelandet zu sein: Großformatige Reproduktionen von historischen Fotografien und Gemälden zeigen Werkbänke und Arbeiter in der Epoche der Industrialisierung, die für Leipzig so prägend war. Selbst die markanten schrägen Dachfenster sind angedeutet. „Wir haben versucht, die Atmosphäre der Fabrikhallen einzufangen“, sagt Museumsdirektor Dr. Anselm Hartinger beim Pressetermin zur Eröffnung der Sonderausstellung „WerkStadt Leipzig. 200 Jahre im Takt der Maschinen“. Und er fügt hinzu, dass es nicht nur darum gehe, Produkte zu versammeln, sondern industrielle Arbeit erlebbar zu machen.
Die Zeitreise in die spannende industrielle Vergangenheit der Stadt Leipzig kann also beginnen. In zahlreichen Branchen zählten Leipziger Unternehmen einst zu den Weltmarktführern. Die Ausstellung greift beispielhaft drei verschiedene Industriezweige heraus und beschreibt sie anhand herausragender Firmen: Da wäre zum Beispiel der poligrafische Maschinenbau, der für das Druckgewerbe von Bedeutung war: So stellten die Unternehmer Karl Krause und Hugo Brehmer in ihren Fabriken Maschinen zum Schneiden, Heften, Falzen oder Prägen her. Bis zum Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die Buchbindereitechnik aus Leipzig zum Weltmarktführer. Auch Rudoph Sack, der 1863 eine Fabrik für landwirtschaftliche Maschinen gegründet hatte, gehörte schon bald zu den erfolgreichen Leipziger Industriepionieren, denn seine Geräte waren hochwertig und universell einsetzbar. Als drittes Beispiel werden die Verlade- und Transportanlagen der Firma Bleichert vorgestellt (heute TAKRAF). Der Ingenieur und Maschinenbauer Adolf Bleichert entwickelte mit seinen Mitarbeitern die Technik für den Bau von Seilbahnen und wurde damit bald zum weltweit führenden Anbieter – von Spitzbergen bis Argentinien kam die Technik aus Leipzig zum Einsatz.
Doch es geht nicht nur im die Superlative und Erfolgsgeschichten, von denen es in Leipzig viele gab. Wie die Kuratorin der Sonderausstellung, Dr. Johanna Sänger, betont, werden auch die historischen Brüche aufgezeigt: Zwangsarbeit und die Rolle der Rüstungsindustrie während des Zweiten Weltkriegs genauso wie der Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft. Aber auch die Arbeiterkultur oder die Bedeutung der Betriebe für das Privatleben der Menschen werden thematisiert. Dabei vereint die Ausstellung nicht nur außergewöhnliche Exponate, wie die historische Stempeluhr aus der Zeit um 1900, mit der die Arbeitszeit in den Bleichert-Werken kontrolliert wurde, sondern es sind auch filmisches Material und zahlreiche Videos mit Zeitzeugeninterviews zu sehen. Eine Fahrt mit einer Werksbahn durch Plagwitz-Lindenau im Jahr 1986 (Ausschnitte aus dem Dokumentarfilm „Alfred“ von Andreas Voigt) zeigt eindrücklich, wie sehr die DDR das industriell geprägte Viertel vernachlässigte.
Beim Verlassen der Ausstellung findet man sich im Hier und Jetzt wieder und man kann noch darüber sinnieren, wie wohl die Arbeitswelt von morgen aussieht und was die Digitalisierung noch bringen wird.
Sonderausstellung „WerkStadt Leipzig. 200 Jahre im Takt der Maschinen“
02.09.2020 bis 07.03.2021
Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Haus Böttchergäßchen
Böttchergäßchen 3, 04109 Leipzig
Öffnungszeiten: Di–So, Feiertage 10–18 Uhr
Mehr Informationen zur Ausstellung und zum Begleitprogramm: www.stadtgeschichtliches-museum-leipzig.de