Löbau
Im kollektiven Gedächtnis fest verANKERt: Nudeln aus Löbau
Die Fassade der ehemaligen Fabrik „Loeser & Richter“ in der Äußeren Bautzner Straße in Löbau ist ein auffälliger Industriebau. Verputzte und unverputzte Gebäudeteile wechseln sich ab, es fehlt an Gleichmäßigkeit. Ähnlich wechselvoll war auch die Geschichte der Löbauer Nudelproduktion. Mehr als ein Jahrhundert lang wurden hier unter der Marke „Anker“ Teigwaren hergestellt, geprägt wurde die Firma von 1904 bis zur Enteignung 1946 maßgeblich von der Unternehmerfamilie Schminke. Die aktuelle Sonderausstellung des Löbauer Stadtmuseums „Fest verANKERt. Die Löbauer Nudelfabrik und ihre Mannschaft“ gibt noch bis 29. November 2020 Einblicke in das Fabrikgebäude und den dortigen Arbeitsalltag von 1874 bis 1992. Entstanden ist die Schau in Kooperation mit der Teigwaren Riesa GmbH.
Der Alltag in der Nudelfabrik
Die Exponate stammen aus dem Stadtarchiv und dem Stadtmuseum Löbau. „Außerdem hat uns die Teigwaren Riesa GmbH einige Leihgaben zur Verfügung gestellt, wie zum Beispiel die Matrizen für die Nudelproduktion, Kantinengeschirr und Warensortiment-Koffer“, berichtet Dr. Corinna Wandt, Leiterin des Stadtmuseums Löbau. Einige Exponate wurden aber auch tatsächlich noch aus der Nudelfabrik geborgen, so zum Beispiel ein großer Abschütttisch, an dem die Nudeln von den Frauen in die Verpackungen sortiert wurden. Außerdem ein Stuhl aus der Kantine, der zusammen mit ca. 200 anderen Stühlen um 1940 angeschafft worden sein muss, als nach Hans Scharouns Plänen die Kellerräume zu offenen, hellen Aufenthaltsräumen mit „Wohlfühl-Charakter“ umgebaut wurden. Vier Spinde aus dieser Zeit sind ebenfalls zu sehen.
Wie der Titel der Ausstellung schon andeutet, war das Gemeinschaftsgefühl der einstigen „Mannschaft“ besonders ausgeprägt: „Die Belegschaft zu Schminkes Zeiten machte gemeinsam Ausflüge, hatte eine Betriebssportgruppe und auch eine Gruppe von Musikern, die Akkordeon spielten. Joachim Schminke selbst spielte in dieser Gruppe. Auch zu DDR-Zeiten gab es gemeinsame Feiern und Veranstaltungen. Bis heute noch treffen sich einzelne Gruppen der damaligen Abteilungen zu Weihnachtsfeiern oder Ähnlichem“, erzählt Dr. Corinna Wandt. Die Marke „Anker“ sei nicht nur den Löbauern bis heute ein Begriff. Und so dürften viele Besucher der Ausstellung bei der Verpackung aus DDR-Zeiten denken: „Ach, die kenn ich ja noch!“
Was wird die Zukunft bringen?
Doch nach dem interessanten Blick in die Vergangenheit fragt sich mancher, wie es denn in Zukunft mit der Nudelfabrik weitergehen soll. Da gibt es bereits konkrete Pläne vonseiten der Großen Kreisstadt Löbau, die das Gebäude 2018 gekauft hat. „Unter dem Projekttitel ‚ANKER-Kulturgut’ soll dem denkmalgeschützten Gebäudekomplex mit der Nutzung durch das Stadtmuseum, das Stadtarchiv und ein Besucherzentrum für das unmittelbar benachbarte Haus Schminke neues Leben eingehaucht werden. Ergänzend sind Seminar- und Veranstaltungsräume sowie ein Cafeteria-Betrieb vorgesehen“, so die Museumsleiterin. Momentan lässt die Stadt hierfür eine denkmalpflegerische Zielstellung erarbeiten. Parallel dazu läuft eine europaweite Ausschreibung für die Rekonstruktion der Dächer und Fassaden. „Der Fabrikcharakter soll unbedingt beibehalten werden“, betont Dr. Corinna Wandt und schätzt, dass sich der Zeitraum für die Instandsetzung etwa über fünf Jahre erstrecken wird.
Übrigens: Durch die Kooperation mit der Teigwaren Riesa GmbH erfahren Anker-Nudeln nun eine limitierte Neuauflage – außen Anker, innen Riesa. Die Sonderedition für das Stadtmuseum Löbau ist den Verpackungen aus Zeiten von „Loeser & Richter“ im 19. Jahrhundert nachempfunden.
Sonderausstellung „Fest verANKERt. Die Löbauer Nudelfabrik und ihre Mannschaft“
bis 29. November 2020
Stadtmuseum Löbau, Johannisstraße 3–5, 02708 Löbau
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10–17 Uhr, Samstag/Sonntag 13–17 Uhr
Mehr Informationen: www.stadtmuseum.loebau.de