Zwickau
„Im Fokus steht auch die Vergangenheit der Industriebrache“
Seit ihrer Erstausgabe 2006 hat sich das Festival ibug zu einem der angesagtesten Ausstellungsformate für urbane Kunst entwickelt und ist fester Bestandteil der Industriekultur in Sachsen. Ganz bewusst wird das jährlich wandernde Festival in Regionen veranstaltet, in denen der Wegfall von Industrie enorme Auswirkungen auf die Lebenswege der ansässigen Bürgerinnen und Bürger hatte. Die mehrwöchige ibug bespielt verlassene Orte der Industriekultur und haucht ihnen damit neues Leben ein. So zeigt sie, dass es möglich ist, sich Orte zurückzuerobern und sie mit positiven Erinnerungen zu besetzen. Die 15. ibug-Ausgabe, die im Königlichen Krankenstift in Zwickau stattfand, ist zwar bereits Vergangenheit, aber nach dem Festival ist ja bekanntlich vor dem Festival. Wie es weiter geht und was genau das Festival so besonders macht, wissen Anne-Sophie Rettel und Christoph Steyer vom ibug-Team.
Welche Idee steckt hinter der ibug?
Wir wollen mit der ibug einen Querschnitt des aktuellen Entwicklungsstandes der urbanen Kunst zeigen und diese für jeden zugänglich machen. Im Fokus steht dabei das Experimentieren mit Genres, Materialien und Techniken ebenso wie die Vergangenheit der Brache und ihre Architektur. Traditionell Ende August wird dafür eine Brache in Westsachsen als temporäre Ausstellung freigegeben.
Wie hat sich die ibug in den letzten Jahren entwickelt?
Die Anfänge der ibug liegen 2006 in Meerane. Seitdem erlangte das kleine Festival für urbane Kunst immer mehr Ansehen im In- und Ausland und aus wenigen hundert Besucherinnen und Besuchern wurden mit der Zeit mehrere Tausend. Und auch das Team hat sich über die Jahre zu einem professionellen Kreis an Verantwortlichen gewandelt und ist natürlich, wie das Festival selbst, gewachsen. Aktuell sind rund 15 Menschen im Kernteam der ibug. Die gesamte Organisation des Festivals von der Konzeption über den Aufbau und das Event selbst bis zum Abbau und der Nachbereitung läuft aber nach wie vor im Ehrenamt. Die ibug entwickelte sich also immer weiter, ist inzwischen auch Kunstgalerie, bietet Kino und eine eigene Gastronomie, vermittelt Kunst für Schulklassen und Jugendgruppen und arbeitet auf europäischer Ebene an Kooperationen wie dem Projekt RESCUE.
Jedes Jahr bewerben sich hunderte Künstlerinnen und Künstler. Wie wird entschieden wer mitmachen darf?
Die Auswahl ist ein demokratischer Prozess, an dem das gesamte Team teilnehmen kann. Dabei gibt es Abstimmungen zu jeder Künstlerin und zu jedem Künstler. Wir versuchen immer ein ausgewogenes Verhältnis von zum Beispiel Regionalität und Internationalität, Newcomern und bekannten Namen sowie Ideenreichtum und Professionalität zu schaffen.
In diesem Jahr war ja coronabedingt alles anders und die ibug ist kleiner ausgefallen als gewohnt. Wie sind Sie damit umgegangen?
Durch die Pandemie-Situation war lange offen, ob und in welcher Form die ibug 2020 überhaupt stattfinden kann. Wir haben dann in Abstimmung mit den zuständigen Behörden ein Konzept entwickelt, wie das Festival unter den Bedingungen durchgeführt werden kann. Dabei war klar, dass es keine ibug in der üblichen Form geben wird, weil wir als Team wesentlich weniger sind, wir nur deutsche Künstlerinnen und Künstler einladen können, kein Rahmenprogramm stattfinden wird und es auch Einschränkungen für das Publikum geben muss. Eine „Sonderedition“ der ibug also. Uns war aber trotzdem wichtig, das Festival stattfinden zu lassen, weil Kunst und Kultur systemrelevant und ein essenzieller Faktor für die Gesellschaft sind.
Was ist für nächstes Jahr geplant? Gibt es schon konkrete Ideen?
Es gibt für 2021 schon Ideen und Vorgespräche. Viel Konkretes können wir aber noch nicht verraten, da unsere wunderschöne kleine Brache für kommendes Jahr sonst vielleicht überrannt wird. In jedem Fall wird es in Richtung Chemnitz gehen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Alle Informationen und spannende Einblicke finden Sie unter www.ibug-art.de oder auf facebook.