Sommerparade der Werktätigen
Zur „Parade der Werktätigen“ am 10. Juni 2017 führte Karl Heine „persönlich“ die verschiedensten Akteure aus über einem Jahrhundert den nach ihm benannten Boulevard entlang. Der Aufzug war mit historischen Bildern gespickt – z.B. Arbeiterinnen und Arbeiter der ehemaligen Kombinate; einer in Leipzig gebauten Straßenbahn – und gleichzeitig ein ironischer Kommentar zu der gegenwärtigen Gentrifizierungsdebatte und der allgegenwärtigen Angst vor Neuem und vor Veränderung.
Ausgangspunkt war das JAHRTAUSENDFELD: Diese fast 3 ha große, bis heute (noch) unbebaute Brache, auf der bis Anfang der 1990er Jahre die Hallen der bedeutenden Landmaschinenfabrik von Rudolf Sack (VEB Bodenbearbeitungsgerätewerke) standen, erhielt ihren heutigen Namen durch das gleichnamige Kunstprojektes der SCHAUBÜHNE LINDENFELS. Zwei Jahre lang (1999 bis 2001) wurde die Brache als begehbares Roggenfeld bepflanzt und ökologisch bewirtschaftet. Diese erneute symbolische Kultivierung verdeutlichte nicht nur die Zäsur nach dem Aus der alten land- und ressourcenintensiven industriellen Bewirtschaftung, sondern bot zur Jahrtausendwende im damals desolaten Leipziger Westen einen topografisch konkreten Visionsraum an. Der Titel ist über den Projektzeitraum hinaus als prominenter Name für die Fläche in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen.
Dass kulturelle Praktiken und Strategien zur wirtschaftliche Entwicklung des Quartiers beitragen können (Kunst, Kreativwirtschaft, Tourismus) und neben hier tradierten Produktionsformen (Landwirtschaft, Handwerk, Industrieproduktion und Dienstleistung) eine postindustriellen Zukunft gedacht und realisiert werden kann, dafür sollte und soll die begehbare Metapher JAHRTAUSENDFELD stehen. Nun wird sie zu einem Monument verdichtet weiterhin den stetigen Wandel im Quartier begleiten.
Am 13. August wird am JAHRTAUSENDFELD über dem Karl-Heine-Kanal die lebensgroße Skulptur MAN & HORSES ON MILLENNIUM FIELD enthüllt. Dieses Monument – zwei Pferde, und von einem Bauern geführt, den Sack‘schen Pflug ziehend – weist in zweierlei Richtung: Geschichte vergegenwärtigend und Zukunft vorstellbar machend. Die dargestellte Szene wurde während der Bestellung des Jahrtausendfeldes zunächst fotografisch dokumentiert, sie spielt im Jahr 2000, verweist aber durch die Wahl des Motivs auch auf die Zeit vor der Industrialisierung des Areal um 1860 und, durch die Einfügung des ersten industriell gefertigten Pfluges von Rudolf Sack, zugleich auf die konkrete Industriegeschichte des Ortes. Zu sehen ist die Kopie des historischen Sack‘schen Pfluges, gezogen von zwei Pferden und gefolgt von einem, die Zügel haltenden Bauern in der Bewegung, die Krume brechend. Der Ort ist das frühere Ackerland, der spätere Standort der Rudolf Sack Landmaschinen Werke. Es handelt sich um hoch aufgeladenen historischen Grund, auf dem jene patentierten Pflüge und weitere Landmaschinen gefertigt wurden, die die Landwirtschaft revolutionierten und industrialisierten, auf dem später aber auch Kriegsgeräte produziert und Zwangsarbeiter beschäftigt wurden. Ein Ort, der 1995 mit dem Abriss des zuletzt unter dem Namen VEB Bodenbearbeitungsgerätewerk firmierenden Werkes zur Brache wurde, die einer erneuten Urbarmachung harrt.
Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen mit 11.960,00 EUR.